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|ak 656 | Umwelt

Ohne grünes Mäntelchen

Siemens will weiter Geld mit dem Kohleabbau in Australien machen

Von Guido Speckmann

Offenbar hat Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, wirklich gedacht, mit einem unmoralischen Angebot an Luisa Neubauer die Kritik am Geschäftsgebaren seines Konzerns zu entkräften. Doch das deutsche Gesicht von Fridays for Future lehnte es ab, einen führenden Posten bei Siemens Energy zu übernehmen. Das war Kaesers erste Fehleinschätzung. Seine zweite: dass er am Auftrag, eine Zugsignalanlage für ein umstrittenes Kohlebergwerk in Australien zu liefern, festhält. Hieran hatte sich die Kritik der neuen Klimabewegung entzündet – befeuert von den australischen Buschbränden, die einen dystopischen Vorgeschmack auf die kommende Heißzeit geben. Nun will Fridays for Future auch bei der Siemens-Hauptversammlung Anfang Februar protestieren.

Der Imageschaden für Siemens ist bereits jetzt groß. Für schlappe 18 Millionen Euro – im letzten Geschäftsjahr setzte der Konzern 87 Milliarden Euro um – riskiert Kaeser einen PR-Super-GAU. Ein gutes Bild bei den Brothers in Crime des fossilen Kapitals war ihm wichtiger als das in der Öffentlichkeit. Einerseits kann er sich das leisten. Privatkonsument*innen können Siemens-Produkte schwer boykottieren (Bosch hat den Markennamen für Haushaltsgeräte übernommen). Andererseits bemüht sich Kaeser darum, dem Konzern ein nachhaltiges Images zu geben, bis 2030 soll der Konzern klimaneutral sein.

Alles grüne Rhetorik, die nichts kostet. Wenn es hart auf hart kommt, obsiegt jedoch die kurz- und langfristige Profiterwartung über Anforderungen an den Umweltschutz. Das ist symptomatisch für den derzeitigen Umgang mit der ökologischen Frage in Deutschland. Man redet – nicht zuletzt auf Druck der neuen Klimabewegung – wieder mehr von Klimaschutz, verabschiedet Gesetze und Klimapläne und beschließt sogar den Ausstieg aus dem dreckigsten aller fossilen Brennstoffe: der Braunkohle. Doch Braunkohleweltmeister Deutschland wird diesen unrühmlichen Titel nicht gleich verlieren. Der nun von der Regierung festgelegte Zeitplan für den Ausstieg erfolgt erst bis zum Jahr 2038 – selbst die Kohlekommission war hier ambitionierter. Das Geschäft mit der Kohle wird die Kassen der Konzerne auch weiterhin klingeln lassen. Und die Regierung unterstützt sie dabei. Sie will RWE und Co. mit über vier Milliarden Euro entschädigen.

Global sieht es nicht anders aus. Jährlich werden fossile Brennstoffe in Billionenhöhe gefördert. Eigentlich hatten sich die G20-Staaten vor über zehn Jahren dazu verpflichtet, diese Subventionen bis 2025 zu beseitigen. Kein einziger EU-Mitgliedsstaat hat dazu bisher eine umfassende Strategie vorgelegt. Im Gegenteil: Teils wurden neue Subventionen eingeführt. So verwundert es auch nicht, dass die Energiekonzerne weiterhin Milliardensummen in Förderprojekte investieren, obwohl diese die Klimaziele von Paris gefährden. So hat der Fall Siemens etwas Gutes: Er demaskiert die Greenwashing-Versuche der Konzerne.

Guido Speckmann

ist Redakteur bei ak.