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BND und CIA: profitable Überwachung

Von Guido Speckmann

Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht«, sagte Angela Merkel, als bekannt wurde, dass ihr Handy vom US-Geheimdienst abgehört worden war. Dass das geht, zeigen nun Recherchen von Washington Post, ZDF und Schweizer Fernsehen. Sie belegen, dass sich damit sogar eine Menge Geld verdienen lässt. Demzufolge spionierten der US-Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) unter dem Namen Operation Rubikon von 1970 bis 1993 zusammen mehr als 100 Staaten aus. Sie taten dies mithilfe einer seit kurzem nicht mehr existenten Firma: der Schweizer Crypto AG. 1970 wurde dieser führende Hersteller von Verschlüsselungsgeräten von beiden Geheimdiensten über eine Treuhandgesellschaft in Liechtenstein gekauft. Die Crypto AG verkaufte an 130 Staaten Chiffriermaschinen zur Verschlüsselung ihrer Kommunikation. In diese waren für die Geheimdienste allerdings Hintertüren eingebaut, sodass BND und CIA die verschlüsselten Nachrichten mitlesen konnten. Seine Finger im Spiel hatte übrigens auch der deutsche Konzern Siemens; ein ehemaliger Manager nannte die Crypto AG eine »geheime Siemens-Tochterfirma«.

Viel Geld für ihre vermeintlich verschlüsselte Kommunikation gaben afrikanische, asiatische und südamerikanische Staaten aus. Aber auch EU-Staaten wie Irland, Spanien, Portugal und Italien oder der NATO-Partner Türkei. Über die Crypto AG verdienten CIA und BND Millionen. Beim westdeutschen Geheimdienst wurde das Geld bis 1993 in schwarze Kassen verbucht – ohne jegliche parlamentarische Kontrolle. Ein Jahr vorher war ein Mitarbeiter des Crypto AG im Iran wegen des Verdachts auf Spionage verhaftet worden. Der BND befürchtete, dass seine Machenschaften auffliegen würden, und stieg aus. Die CIA führte das Überwachungsgeschäft mit dem Schweizer Unternehmen noch bis 2018 weiter. Der BND auf andere Weise: Vor fünf Jahren brachten Recherchen ans Licht, dass er zum Beispiel in Wien nicht nur internationale Organisationen online ausspionierte, sondern mittels sogenannter Selektoren auch Diplomat*innen, Militärs und Regierungsmitarbeiter*innen vieler befreundeter Länder.

Die BRD und die USA waren durch das Abhören im Rahmen der Operation Rubikon über zahlreiche Verbrechen, beispielsweise über die der Militärjunta in Argentinien, informiert, hüllten sich aber in Schweigen. Mit diesen Rechercheergebnissen konfrontiert, sagte der Ex-Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, schlicht: Die Operation habe dazu beigetragen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben sei.

Das Geschäft von Geheimdiensten ist eben das Ausspionieren anderer Staaten, könnte man nun sagen. Aber dass sie sich dafür bezahlen ließen, macht die Aktion tatsächlich zu einer skandalträchtigen und dreisten Geheimdienstaktion. Die Nachfolger gefunden hat Dem Konzern Huawei schlägt derzeit massives Misstrauen entgegen, weil westliche Staaten befürchten, dass Huawei-Geräte und vor allem die Technik für den schnelleren Mobilfunk-Standard 5G ein Einfallstor für chinesische Überwachung und Manipulation sein könnte. Seit dem Bekanntwerden von Operation Rubikon klingen die Argumente der deutschen Politiker*innen noch scheinheiliger. China werfen sie etwas vor, was sie jahrzehntelang in viel raffinierterer Weise selbst getan haben.

Die jüngsten Recherchen sind noch vor einem anderen Hintergrund interessant. Vor ein paar Jahren hat der Historiker Josef Foschepoth in seinem Buch »Überwachtes Deutschland« belegt, dass die alte Bundesrepublik auch im Inland massiv überwacht hat. Ein zentrales Ergebnis seiner Studie fasst er so zusammen: Mit der Erforschung der Post- und Fernmeldeüberwachung in der Bundesrepublik verliere jene der DDR ihre Singularität. »Hier wie dort«, so der Freiburger Historiker, »wurden Postsendungen aufgebrochen, Inhalte entfernt oder vernichtet, solange wie das sozialistische System der DDR bestand. Auch Telefone wurden auf beiden Seiten überwacht … Insgesamt dürften die Überwachungsmaßnahmen des Westens, der Bundesrepublik, ihrer Besatzungsmächte und späteren Alliierten deutlich effizienter, effektiver und letztlich erfolgreicher gewesen sein, als die der DDR und ihres Hauptverbündeten, der Sowjetunion.«

Ob das tatsächlich in dieser Qualität und Quantität zutrifft, sei dahin gestellt. Fest steht jedoch: Die Bonner Republik wandte viel stärker als bislang gedacht jene Mittel an, die sie bei anderen Staaten so gerne beklagte. Diese dunkle Seite der westdeutschen Nachkriegsgeschichte ist noch viel zu wenig bekannt. Die Aufdeckung der BND/CIA-Machenschaften könnte eine Chance sein, sie stärker ins Geschichtsbewusstsein zu verankern.

Guido Speckmann

ist Redakteur bei ak.