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Liebe heute

Aufgeblättert: Liv Strömquists »Ich fühl's nicht«

Von Patrick Helber

In ihrem feministischen Comic »Ich fühl’s nicht« nimmt die schwedische Politikwissenschaftlerin und Zeichnerin Liv Strömquist das Beziehungsverhalten der Gegenwart unter die Lupe. Warum fällt es vielen Menschen so schwer, Liebe zu fühlen oder zu finden – trotz des potenziellen Überangebots durch Onlinedating?

Strömquist nähert sich mittels wissenschaftlicher Literatur aus Soziologie, Psychologie, Geschichte und Mythologie ihrem Thema, das sie um Anekdoten und Collagen aus der Popkultur ergänzt. Jabba the Hut aus »Star Wars«, Papa Schlumpf, Miraculix aus »Asterix« und Samantha Jones aus »Sex and the City« lässt sie argumentieren, dass Gefühle für Andere als Zeichen der Schwäche gelten: »Andere Menschen … dienen als Spiegel zur Bestärkung des eigenen Egos.« Als maskulin gilt, wer viele sexuelle Beziehungen mit attraktiven Frauen pflegt, ohne sich emotional auf deren Persönlichkeit einzulassen.

Daran knüpft Strömquist die These, dass Frauen sich dieses männliche Verhalten angeeignet haben, um wiederum selbst Macht zu erlangen: »Jetzt war ich mit 15 anderen Schlümpfen aus Schlumpfhausen im Bett! So what?! Wen schert’s?« Wie die Soziologin Eva Illouz kritisiert sie rationale Auswahlverfahren als »Entzauberung der Welt«.

Zusätzlich hätte sie noch auf die Funktion von Liebe im heutigen Kapitalismus aufmerksam machen können. Dort sind in der reproduktiven Sphäre Emotionen erwünscht. Sie liefern unbezahlt Einzigartigkeit und Nähe, wenn der Markt uns ansonsten nur Austauschbarkeit und Kälte fühlen lässt.

Liv Strömquist: Ich fühl’s nicht. avant-verlag, Berlin 2020.176 Seiten, 20 EUR.