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|ak 660 | Ökologie

Applaus aus der falschen Ecke

Rechte und linke Positionen zu Ökologie können sich auf den ersten Blick stark ähneln – ein zweiter offenbart die Unterschiede

Von Christiane Gerstetter und Lukas Martin

Die Öko-Kuh vom Allgäu: Sie dürften linke wie rechte Umweltschützer*innen toll finden. Foto: hanna_boehm0/Pixabay

Wir haben es satt!« ist das Motto einer Demonstration für eine zukunftsfähige Agrar- und Ernährungspolitik, die seit einigen Jahren jährlich in Berlin stattfindet. Dieses »Engagement« sei »zu begrüßen«, applaudierte ein Beitrag auf dem rechten Gegenstrom-Blog im März 2018. Die rechte Umweltzeitschrift Umwelt und Aktiv veröffentlichte bereits vor einigen Jahren ein Interview mit der indischen Aktivistin Vandana Shiva, die sich für Umweltgerechtigkeit und Ernährungssouveränität einsetzt. Dass Rechte Applaus klatschen für linke Umweltbewegungen und Aktivist*innen zeigt: Rechte Positionen zu Ökologie ähneln – zumindest auf den ersten Blick – teilweise denjenigen linker Gruppen. (1)

Dies lässt sich an verschiedenen Themen zeigen. Ein Thema, bei dem es deutliche Schnittmengen zwischen rechten und linken Positionen gibt, ist Landwirtschaft. Besonders offensichtliche Ähnlichkeiten sind ein positiver Bezug auf kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaft und die Kritik an einer industrialisierten, von Konzernen dominierten Landwirtschaft. Grüne Gentechnik, also landwirtschaftlich genutzte Gentechnik, lehnen linke und rechte Gruppen mehrheitlich ebenso ab wie Massentierhaltung und Land Grabbing. Auf beiden Seiten findet sich die Forderung, dass Landwirt*innen Saatgut frei nutzen können sollen, ein positiver Bezug auf regionales Wirtschaften und Selbstversorgung sowie Ideen vom Ausstieg auf dem Lande.

In ihren Begründungen und in den Details unterscheiden sich Positionen von links und rechts allerdings deutlich. In rechten Positionen zu Landwirtschaft finden sich beispielsweise positive Bezugnahmen auf den »Bauernstand«, »Lebensraum« für die Deutschen, »Ökopatriotismus« und »Versorgungssouveränität« oder die »Selbstversorgung« Deutschlands mit Nahrungsmitteln. Rechte Gruppierungen kritisieren teilweise nicht nur allgemein die Rolle von Konzernen in der Landwirtschaft, sondern lehnen speziell »ortsfremde Investoren« ab. Sie betonen außerdem den Wert von »heimischen Kulturpflanzen«. Begriffe dieser Art finden sich bei linken Gruppen deutlich weniger bis gar nicht. Linke Gruppen thematisieren demgegenüber ungerechte Strukturen im globalen Agrarhandel, die Bedeutung der europäischen Agrarpolitik für die globale Ernährungssicherheit oder die Ausbeutung migrantischer Arbeiter*innen in der Landwirtschaft.

Problematische Bildsprache

Dass kritisch gemeinte Argumente teilweise so formuliert werden, dass sie von rechts vereinnahmt werden können, zeigt auch die Debatte um sogenannte Klimaflüchtlinge. Ein Beispiel ist der millionenfach geklickte Beitrag des YouTubers Rezo gegen die Politik der CDU. Er spricht von einem Katastrophenszenario von über 400 Millionen Flüchtlingen aufgrund der Klimakrise und warnt: »So viele Menschen werden dann kommen, viele nach Europa. Also wenn ihr glaubt, dass die Flüchtlinge in den letzten Jahren schon eine Flüchtlingskrise waren, dann freut euch da drauf!«

Eine solche Bildsprache ist problematisch. Zum einen geht unter, dass Migration größtenteils innerhalb von Regionen und Ländern – und nicht zum Beispiel nach Europa – stattfindet. Ein weiteres Problem ist zudem eine sprachliche Verbindung von Geflüchteten mit Krise und Gefahr, die sich auch bei linken Gruppen findet. Die Rede von »Flüchtlingsströmen« oder »-wellen« setzt Migration mit Naturkatastrophen gleich, vor denen »wir« uns schützen müssen. Anstatt Migrant*innen als Menschen mit berechtigten Bedürfnissen und Forderungen zu betrachten, werden sie als eine unaufhaltsam heranströmende Masse dargestellt. Die Antwort ist dann klar: Schotten dicht!

Linke Positionen sollten solchen Vorstellungen entgegenwirken. Es geht darum, Fluchtursachen und nicht Geflüchtete zu bekämpfen. Linke Positionen, die sich klar von rechts abgrenzen, thematisieren globale Ungleichheiten und fordern globale Bewegungsfreiheit. Das Beispiel zeigt außerdem: Der Bezug auf Naturphänomene wie »Wellen« oder »Ströme« ist eine mächtige sprachliche Ressource, die leicht den Blick auf gesellschaftliche Strukturen verstellt, Verhältnisse als gegeben und unveränderlich erscheinen lässt und starke Emotionen auslösen kann.

Was tun, wenn’s brenzlig wird?

Es gibt also Schnittmengen zwischen rechten und linken Positionen zu ökologischen Fragen. Rechte widmen sich ähnlichen Themen wie Linke und berufen sich manchmal auf linke Autor*innen. Auch Forderungen klingen teilweise sehr ähnlich, wenn es etwa um regionales und nachhaltiges Wirtschaften geht, mehr Regulierung für multinationale Konzerne oder weniger materielles Wachstum und Konsum. Es ist daher wichtig, linke Positionen klar zu begründen, Quellen sorgfältig zu prüfen und nach rechts anschlussfähige Argumente zu vermeiden.

So kann der Verweis auf nahende Katastrophen, die schnelles und energisches Handeln verlangen, leicht zu wahrgenommenen Sachzwängen führen und autoritäres oder repressives Vorgehen rechtfertigen, zum Beispiel, um Grenzen dichtzumachen. Verkürzte Erklärungsmodelle, die alles auf eine Ursache (»das liegt eben in der Natur von…«) oder geheime Machenschaften einer bestimmten Gruppe zurückführen, nähren Verschwörungsmythen, die auch bei rechten Gruppen sehr beliebt sind. Vereinfachende Darstellungen von Menschengruppen (»die Flüchtlinge«), die unterstellen, alle hätten die gleichen Interessen und Bedürfnisse, können Stigmatisierungen und Vorurteile befördern. Auch Romantisierungen traditioneller, naturnaher Lebensweisen und eine pauschale Kritik an der modernen Gesellschaft stellen Anknüpfungspunkte für rechte Gruppen dar.

Linke Positionen unterscheiden sich von rechten durch ihren globalen Bezugsrahmen.

Es lassen sich jedoch auch eine Reihe von Argumenten und Begründungen zu ökologischen Fragen formulieren, die weniger leicht von rechts zu vereinnahmen sind. Hierzu gehört eine Kritik an Herrschaftsverhältnissen und verschiedenen Formen von Diskriminierung wie Kolonialismus, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus etc. im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Naturverhältnissen. Linke Positionen unterscheiden sich dabei von rechten durch ihren globalen Bezugsrahmen: Es geht nicht nur um den Schutz von Ökosystemen in einem Land, sondern darum, wie ein gutes Leben für alle und globale Gerechtigkeit verwirklicht werden können. Anstatt ökologische Verhältnisse als natürlich gegeben darzustellen, sollten Linke diese als von Macht und Herrschaft durchzogen und durch gesellschaftliche Kämpfe geformt verstehen. Je stärker die Annahme der Gleichwertigkeit aller Menschen mit Forderungen nach Demokratisierung, Umverteilung und Gleichheit sowie der Zurückdrängung von Marktmechanismen verknüpft werden, desto schwerer sind sie von rechts zu vereinnahmen.

Eine klare Abgrenzung nach rechts ist für linke Umweltaktivist*innen nötig, auch dann, wenn Rechte vermeintlich für die gleichen Ziele kämpfen. Sonst werden menschenverachtende Positionen immer stärker als normal angesehen und kommen in der sogenannten Mitte der Gesellschaft an. Rechte versuchen dort, mit Themen wie Ökologie, die eben nicht »typisch rechts« sind, anschlussfähig zu werden. Zudem bedeutet die Teilnahme von Rechten an Bündnisse und Mobilisierung, dass andere sich dort unsicher fühlen können.

Es ist klar, dass linke Gruppen Vereinfachungen, die möglicherweise eine Nähe zu rechten Positionen schaffen, nicht immer vermeiden können. Flyer, Mobilisierungsmaterial, Tweets – all das setzt ein gewisses Maß an Vereinfachungen voraus und schafft damit möglicherweise Anknüpfungspunkte nach rechts. Umso wichtiger ist es, sorgfältig zu arbeiten und eigene Positionen stets zu hinterfragen. Und im Zweifel hilft eine deutliche Positionierung, dass menschenfeindliche Positionen in einem Bündnis nicht willkommen sind.

Anmerkung
1) Diese Erkenntnis war Ausgangspunkt für eine Broschüre des BUKO, die sich mit Schnittmengen zwischen linken und rechten Positionen zu Ökologie befasst und Handlungsvorschläge für linke Aktivistinnen macht. Die Broschüre mit dem Titel »Rinks und lechts kann man nicht velwechsern? Rechte und linke Positionen zu Ökologie« stellt Ähnlichkeiten und Unterschiede von rechten und linken Positionen zu Ökologie, Umweltpolitik und gesellschaftlichen Naturverhältnissen dar. Damit soll linken Aktivistinnen ermöglicht werden, rechte Positionen zu erkennen, ihre eigene Argumentation zu schärfen, problematische Elemente in linken Argumentationen zu vermeiden und die richtigen Bündnispartner*innen zu finden. Erhältlich ist die Broschüre ab zehn Exemplaren in gedruckter Form unter gesnat@buko.info und als pdf unter www.buko.info. Dort findet sich auch die Stellungnahme zu einer berechtigten Kritik am Titel der Broschüre.

Christiane Gerstetter

ist im Arbeitsschwerpunkt Gesellschaftliche Naturverhältnisse der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) tätig.

Lukas Martin

Lukas Martin ist Sozialwissenschaftler und freier Autor. Er schreibt zu den Themen Antikolonialismus und Umweltgerechtigkeit und ist im Arbeitsschwerpunkt Gesellschaftliche Naturverhältnisse der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) aktiv.